Die schwarze Nacht

Lois Abel


Es war in einer mondeshellen sternenklaren Nacht, gerade als auch der letzte Tourist zu Bett gegangen war, daß sich etwas ereignete, mit dem niemand mehr hatte rechnen wollen: Wolken zogen auf, und es begann fürchterlich zu regnen.

Doch nicht nur das unbarmherzige Herniederprasseln des Regens erschreckte die Schläfer, auch der wütend grollende Donner des rasch näherkommenden Gewitters ließ sie erwachen.

So sah man Lichter angehen, blasse Gesichter an den Fenstern erscheinen. Die müden Augen noch ganz trüb vom Schlaf, kaum offenzuhalten, beugten sich die Menschen hinaus, um die vermeintlich schützenden Fensterläden zu schließen.

Ein greller Blitz, ein harter Knall; ängstliches Warten in den Zimmern. Am liebsten wäre nun so mancher in seine Kleider geschlüpft, vielleicht taten das auch einige, um vor der rasch entzündeten, geweihten schwarzen Wetterkerze kniend Gebete zu sprechen.

Das schwere Rollen des Donners ließ die dünnen Wände der Häuser erbeben, grelle Blitze explodierten in rascher Folge; jeder einzelne tauchte die Nacht für einen winzigen Augenblick in zuckendes kalkweißes Licht.

Kaum einer, der jetzt noch schlief. Die Kinder rannten weinend in die Schlafzimmer ihrer Eltern, und auch die Tiere verkrochen sich voller Angst.

Dies war die Nacht der verlorenen Seelen, ruhelos umherirrend, stets auf der Suche nach Erlösung.

Dies war die Nacht, in der die Pfarrersköchin ihren Herrn im Meßwein ertränkte und sich der Bäcker beim Formen der Brezeln strangulierte, die Nacht in der James Bond nicht mehr aus seinem Zimmer fand, weil er am Tag zuvor neue Möbel bekommen hatte.

Kurzum, es war eine grauenhaft grausige schwarze Nacht, die lange nicht zu Ende gehen wollte und niemandem Ruhe und Erholung bescheren sollte.


(c) Lois Abel 1994